Ehrlichkeit - wie viel kann eine Beziehung vertragen?

Hört man sich in der Bevölkerung um, bekommt man auf die Frage „Was ist dir in einer Beziehung am wichtigsten?" häufig die Antwort: Ehrlichkeit! Doch ist es immer nur positiv zu bewerten, wenn man gnadenlos ehrlich gegenüber seinem Partner ist? In welchem Ausmaß Ehrlichkeit in einer Beziehung Sinn ergibt, möchten wir in folgendem Artikel veranschaulichen.

Ehrlichkeit - Was bedeutet das in einer Beziehung?

Ehrlichkeit ist die Grundlage einer guten Beziehung, denn durch sie wird ein Grundvertrauen gegenüber dem Partner geschaffen. Das bedeutet allerdings nicht, dass der/dem Liebsten ALLE Einzelheiten, Gedanken und intimsten Geheimnisse beigebracht werden müssen. Auch muss der Partner nicht jedes Detail des früheren Liebeslebens erfahren. Und Ehrlichkeit bedeutet genauso wenig, dass der Partner durch die ungeschönte Wahrheit zutiefst verletzt wird (beispielsweise durch Anmerkungen wie „Du bist ganz schön dick geworden!").
Doch wofür steht Ehrlichkeit dann in einer Beziehung? Im Grunde genommen sollte man immer dann ehrlich zu seinem Partner sein, wenn die ausgesprochenen Informationen wichtig für ihn oder die Partnerschaft sind. Denn hier zählt der Grundsatz, dass neben aller Ehrlichkeit die Rücksichtnahme auf die Gefühle des Partners gefordert ist.
Generell gesprochen gibt es wohl kein Paar, das zu 100% offen und ehrlich zueinander ist, dennoch muss der Partner darauf vertrauen können, dass sein Gegenüber in den grundlegenden Dingen der Beziehung die Wahrheit sagt.

Wie definieren sich aber diese "grundlegenden Dinge"?

Das lässt sich wohl kaum pauschalieren. Jedes Paar empfindet unterschiedlich, wenn es um den Grad an Ehrlichkeit geht. Die einen sind schon empört, wenn der Partner verheimlicht gewisse Personen attraktiv zu finden, die anderen wollen erst dann involviert werden, wenn eine Affäre zu etwas Ernstem wird. In den meisten Fällen können Paare einschätzen wie viel Ehrlichkeit der Gegenüber fordert.
Mit der Ehrlichkeit kommt auch die Offenheit einher. Bedeutet, dass der Partner auch unangenehme Dinge anspricht. Jeder Mensch hat seine Fehler und Defizite. Die Kunst ist es mit diesen konstruktiv umzugehen. Gelingt dies, wird sich die Beziehung auch über die Verliebtheitsphase hinaus positiv entwickeln.

Ein gesundes Maß an Ehrlichkeit tut aber nicht nur einer Beziehung, sondern auch der eigenen Person gut. Zum einen hilft Ehrlichkeit enorm bei der Persönlichkeitsentwicklung, denn sie macht stark. Um anderen seine Empfindungen mitzuteilen, muss man sich zunächst intensiv mit sich selbst beschäftigen. So hilft es die eigenen Gefühle in einer Beziehung selbstbewusst zu äußern.
Zum anderen kann Ehrlichkeit sehr befreiend sein, denn anderen eine bestimmte Meinung vorzuspielen und immer wieder zu flunkern kann unheimlich belastend sein. Außerdem zeigt sich am Ende meist, dass die Lügereien gar nicht nötig gewesen wären, wenn man von Beginn an transparent mit seinen Gefühlen und Gedanken umgegangen wäre.

Ehrlichkeit und Eifersucht - Wie passt das zusammen?

Nicht selten kommt es vor, dass ein Part der Beziehung dazu neigt eifersüchtig zu sein. Oftmals wird diese mit Kommentaren wie „Eifersucht ist doch etwas Gutes. Es zeigt, dass mein Partner mir wichtig ist!" abgetan, doch dem ist nicht so. Die Eifersucht spiegelt im Wesentlichen ein Angstgefühl wider, das in einer Beziehung keinen Platz haben sollte. Diese „Angst" kann sich auf verschiedene Art und Weise zeigen. Typische Anzeichen für Eifersucht sind zum Beispiel Anschuldigungen, permanente Kontrolle, ständiges Misstrauen oder der Wunsch nach ständigen Liebesbeweisen.
Oftmals werden diese negativen Gefühle durch Erfahrungen aus der Kindheit oder aufgrund von früheren Beziehungen hervorgerufen. Auslöser können ein geringes Selbstwertgefühl, ständige Kritik, schmerzliche Verlusterfahrungen oder ein Seitensprung sein. Dieses Verhalten kann eine Beziehung stark belasten und im schlimmsten Fall sogar zu einer Trennung führen. Ist sich ein Partner darüber bewusst, dass er ein Übermaß an Eifersucht an den Tag legt, sollte man einen Kompromiss mit sich selbst schließen, über den eigenen Schatten springen und den Partner darüber unterrichten, was diese Gefühle auslöst. Man sollte dem Partner erklären, dass man selbst genauso unter der Situation leidet wie sein Gegenüber. Ehrlichkeit steht nun an oberster Stelle, um das Konfliktpotential aus der Welt zu schaffen.

Was aber tun, wenn der betroffene Partner sich nicht eingesteht, dass er ein Problem mit Eifersucht hat? In diesem Fall ist sehr viel Geduld, Offenheit und Ehrlichkeit gefragt. Hier sind einige Tipps, wie man sich in solch einer Situation verhalten sollte:
Dem Partner sollte Zuneigung offen gezeigt werden. Wird man unaufhörlich kontrolliert, möchte man am liebsten Abstand nehmen. Doch diese Reaktion wirkt kontraproduktiv bei einem eifersüchtigen Partner. Besser ist es ihm die Angst vor Zurückweisung durch Zuneigung zu nehmen.
Liegt die Ursache der Eifersucht in einem geringen Selbstwertgefühl, sollte versucht werden genau dieses zu stärken. Nähe und Anerkennung geben hier den Ausschlag.
Der betroffene Partner sollte versuchen die Situation positiv zu sehen. Das ist zwar leichter gesagt als getan, kann aber helfen die Lage aus einer anderen Perspektive zu betrachten und im Umkehrschluss neu einzuordnen.

Letzten Endes begibt man sich immer wieder auf eine schmale Gratwanderung, wenn es darum geht abzuwägen, wie ehrlich man zu seinem Partner ist. In jeder Situation die schonungslose Wahrheit auf den Tisch zu bringen ist ebenso sinnlos und toxisch für eine Beziehung, wie unendliches Verheimlichen. Es sollte also in jeder Situation neu bewertet werden, wie viel Ehrlichkeit und (Un-)Wahrheit der Partner vertragen kann.